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Mit dabei beim Schnitt des «DECKELBADS»

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Sein oder nicht sein ist hier die Frage: Cutter Giancarlo Moos und Regisseur Kuno Bont am Schnittplatz.

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Nach Abschluss der Dreharbeiten zum DECKELBAD bearbeiten Regisseur Kuno Bont und Filmeditor Giancarlo Moos Szene für Szene, wählen aus, bereinigen und achten akribisch auf jedes kleinste Detail. Esther Wyss war mit dabei. Eine Momentaufnahme.

Das Gebäude im Industriegebiet von Zürich macht einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Blinde Scheiben, Fahrräder die an die Mauer gelehnt sind, ein rostiges Geländer. An diesem Montagmorgen wird hier am Schnitt des «DECKELBADS» gearbeitet. Dazu ist Kuno Bont vom Werdenberg nach Zürich gereist. Von der Hektik am Set ist nichts mehr zu spüren. Das kleine Schnittatelier von Giancarlo Moos im Schatten der Hardbrücke strahlt das Ambiente einer ruhigen Insel aus. Auf dem Arbeitstisch stehen drei Computer zum Einsatz bereit, es ist Zeit um mit der Arbeit anzufangen. Zu trinken gibt es Tee. Giancarlo hat auf der Basis des Drehbuches für den Regisseur einige Vorschläge vorbereitet. Jetzt wird verfeinert, ausgetauscht, eingefügt und wieder verworfen. Bis alles so passt, dass daraus eine eigenständige Sequenz für den Film geworden ist. Auf den Bildschirmen erscheint die erste Szene: Der Tannbühler Tres zieht die Jacke aus, oben fällt eine Türe ins Schloss. Schnitt. Manche Sequenzen dauern nur wenige Sekunden. Die Stimmungsbilder am Voralpsee geben zu reden. Kuno Bont ist der Ansicht, dass die Landschaftsaufnahmen nicht Postkartensujets gleichen dürfen. Die Stimmungen müssen zum Geschehen passen.

Nächste Szene: Der Polizist Riegendinger, kommt mit dem Velo zu Tres, der am steilen Berghang am Mähen ist. Die Sonne brennt heiss, Riegedinger ist verschwitzt und ausser Atem. Er überbringt eine wichtige Nachricht. Der Gemeinderat will Tres zum Wildhüter ernennen. Giancarlo Moos und Kuno Bont diskutieren die Kameraeinstellungen und den Erzählfluss. Die Szene wurde aus verschiedenen Winkeln gefilmt. Die Auswahl ist schwer. Die Sprache, die Kleidung, die Einstellung der Kamera, die Umgebung und die Requisiten müssen eine Abfolge ohne Fehler bilden. Eine anstrengende Arbeit für Kuno Bont und seinen Cutter Giancarlo Moos. Anstrengend deshalb, weil die beiden Männer sich immer wieder von besonders lieb gewordenen Aufnahmen trennen müssen. Die Gründe sind unterschiedlich. Sie finden sich im Interesse des Gesamtwerkes, im Interesse der Erzählform oder im Interesse des künstlerischen Ausdrucks, der das Werk auszeichnen soll. Bei der nächsten Szene, als Kathi draussen die Wäsche aufhängt und Michi, der Bub der Wirtin daneben sitzt und Nägel in ein Brett hämmert, erscheint die Drehbuchabfolge den beiden Kreativen am Schnittplatz zu langatmig und träg. Fragen über Fragen. Nach längerer Diskussion kommen Regisseur und Filmeditor überein, die Szenen deutlich zu kürzen und so die Eindrücklichkeit des Verbleibenden zu stärken. Bei manchen Szenen ist schnell klar, welches die stimmigere Variante ist. Zum Beispiel als Kathi mit dem Kätzchen spielt und dazu singt.

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Giancarlo Moos: Der Schnitt ist der effektive Prüfstein für das Drehbuch und die kreativen Filmideen.

Beklemmend sind die Szenen aus der Psychiatrie. Der arrogante Chefarzt, der Kathi Elektroschocks und Deckelbäder verordnet. Die herzzerreissenden Szenen, als sie sich dagegen wehrt. Während mehr als fünf Stunden arbeiten Giancarlo Moos und Kuno Bont ununterbrochen und hochkonzentriert Filmszene um Filmszene durch, bis alle Vorschläge des Cutters durchbesprochen sind. Dann arbeitet Giancarlo Moos wieder selbstständig am Film. Sie haben vereinbart, sich in einer Woche zur selben Zeit am selben Ort wieder zu treffen um weiter zu arbeiten.

In der Zwischenzeit ist es früher Nachmittag geworden. Auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges führt eine unscheinbare Türe direkt in ein alternatives Restaurant. Auf der gedeckten Terrasse mit Blick auf die Hardbrücke und einen hohen Drahtgitterzaun ist noch ein Tisch frei. Hier kann man auch am Nachmittag eine Pizza oder ein feines Risotto als verspätetes Mittagessen geniessen. Das tun wir an diesem Tag gemeinsam.

Upps, ich bin gar nicht mehr im Film

Auch das gibt es. Leider. Die Crew hat zusammen mit den Schauspielerinnen und Schauspielern viel hervorragendes Bild- und Erzählmaterial gedreht. Zweifelsfrei. Zu viel, wie sich nach dem ersten Rohschnitt zeigt. Der Film ist noch über zwei Stunden lang. Vorgabe ist eineinhalb Stunden. Obwohl Cutter und Regie schon recht streng ausgewählt haben. Da sind Kürzungen zwingend notwendig. Auch mit der Erzählform ist Kuno Bont nicht ganz zufrieden. Vor allem beim Schluss werden verschiedene Varianten geprüft. Bis dann die richtige steht.

Die Folge dieses höchst kreativen für Editor und Regie aber auch schmerzvollen Aktes ist, dass ganze Sequenzen umgemodelt oder gar vollständig aus dem Film genommen werden. Mit dem bedauerlichen Nebeneffekt, dass dabei zum Schluss auch engagierte Darstellerinen und Darsteller nicht mehr in der ganzen Länge oder überhaupt nicht im Film sind.

Das macht keine Freude, weder bei den Filmemachern noch bei den Akteueren. Verständlicherweise.

Ganz aus dem Film ist aber niemand. Nur aus dem Hauptfilm. Die Tukan Film Production Werdenberg hat nämlich beschlossen bei der Herausgabe der DVD extra einen Menüpunkt mit nicht veröffentlichtem Bildmaterial zu belegen. Da tauchen die meisten dieser Szenen dann wieder auf.

Bitte habt also Geduld und seid nicht traurig, wenn ihr euch in der Urfassung des «DECKELBADS» nicht mehr findet. Freut euch vielmehr am gesamten Film, zu dessen Gelingen ihr trotzdem sehr viel beigetragen habt. Zudem bleibt ja auch noch das Erlebnis bei solch einem Dreh mit dabei gewesen zu sein. Dieses kann euch niemand nehmen. Kein Cutter und kein Regisseur.


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